Anika P.
Aufwärts
Manchmal bin ich richtig deprimiert. Und manchmal freue ich mich sogar über neue Interessen, über Musik, über die Sonne. Doch dann kommen wieder die düsteren Gedanken und ziehen meine Stimmung hinunter: Du musst leisten, dich selbst optimieren, lernen lernen lernen. Damit auch etwas aus dir wird. Du kannst noch viel zu wenig, weißt nicht genug, hast keine Perspektive. Und so fängt sich das Rad wieder an zu drehen. Gedankenkreisen, Zukunftsängste. Wie wird meine berufliche Zukunft aussehen? Wie werde ich meine Brötchen verdienen? Was will ich denn überhaupt in meinem Leben machen? Bin ich nicht schon viel zu alt, um etwas Neues zu beginnen? Kann ich meinen Interessen jetzt auch noch folgen, hätte ich nicht besser etwas anderes studiert? Wie soll ich das Studium beenden, wenn ich immer nur Angst habe? Ein Hoffnungsschimmer kommt daher in Form meiner Therapeutin, die mir sagt, nein du bist nicht zu alt, du kannst schon viel, du musst dich nicht plagen, du schaffst das. Es ist nicht zielführend so viel zu grübeln und manchmal schaffe ich es sogar, zu den Gedanken „Stopp“ zu sagen, oder sie vorbeiziehen zu lassen, mir klarzumachen: Ich bin im Hier und Jetzt. Ich mache alles so gut wie ich kann. Es gibt viele Optionen - es wird sich alles schon irgendwie ergeben. Den Optimismus aufrechtzuerhalten ist nicht so leicht in einer Situation wie dieser. Die Erde leidet, die Menschen erkranken, viele sterben. Es gilt Abkapselung, Isolierung von der Außenwelt. Ein flüchtiges Hallo beim Vorbeigehen an Fremden während des Spazierengehens. Virtuelle Kontakte. Ich habe meinen Social Media-Account nun abgedreht - ich halte die Kommentare nicht mehr aus - unter jedem öffentlichen Post ein Auslach-Smiley, Beschimpfungen und keine neutralen Aussagen mehr, Diskussionen am untersten Niveau. Unter der Menschenwürde. Es tut gut, sich einmal davon eine Auszeit zu nehmen und als Sozialphobikerin leide ich gar nicht so unter dem sozialen Abstand. Doch wenn ich allein bin in meiner kleinen bescheidenen Wohnung, merke ich immer wieder, wie sich die unangenehmen Gefühle, die dunklen Gedanken einschleichen. Ein Lichtblick ist der nächste Tag. Und der nächste. Und der nächste. Schritt für Schritt. Eine Tagesstruktur einzuhalten ist für mich wichtiger denn je, eine Beschäftigung zu haben, mit Menschen in Kontakt zu bleiben, wenn auch nur telefonisch. Ich habe das Glück, dass ich in dieser schweren Zeit nicht allein sein muss. Kaum kann ich mir vorstellen, wie es anderen Leuten gehen muss, die nicht sozial eingebettet sind, noch nicht so weit im Therapieprozess, vielleicht ganz am Anfang ihrer Krankheit stehen. Die von Anderen Ablehnung erfahren, nicht wissen, wie sie sich Hilfe holen können. Ich kenne viele, denen es gerade schlecht geht und ich hoffe immer, dass es nicht kippt und dass wir da alle rauskommen, dass es uns allen besser gehen wird - dass das Leben uns Steine in den Weg wirft, die wir überwinden können. Nur allzu oft hoffe ich und bin dankbar, wenn wir uns gegenseitig helfen können, Mut machen können und gemeinsam den steinigen Weg aufwärts gehen.
(Der Name der Verfasserin ist der Redaktion bekannt. Zum Schutz ihrer Person wurde er für diese Veröffentlichung geändert)