Alkoholismus stellt für zahlreiche Österreicherinnen und Österreicher ein Problem dar, weil sie selbst trinken oder jemand aus dem engeren Familien- oder Freundeskreis, der Nachbarschaft oder dem Arbeitsumfeld. Daher ist wahrscheinlich so gut wie jede/r in Österreich von 0 bis 100 im Laufe ihres/seines Lebens mindestens einmal davon betroffen.
Zur Alkoholikerin und zum Alkoholiker wird man nicht von heute auf morgen. Der Grundstein für eine AlkoholikerInnenkarriere wird zwar nicht unbedingt aber doch häufig in der Kindheit gelegt. Ein Elternteil trinkt oder beide Eltern greifen regelmäßig zur Flasche. In jungen Jahren scheinbar noch zum Spaß, später dann zur Problembewältigung. Weil Kinder ihre Eltern nachahmen, werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit später auch zur Flasche greifen, spätestens dann, wenn die ersten Herausforderungen, die das Leben an sie als junge Erwachsene stellt, schwierig oder als nicht bewältigbar erscheinen. Sie übernehmen das Trinken als Strategie zur Problembewältigung, weil sie es nicht anders gelernt haben. Dass die Droge Alkohol bei uns salonfähig ist und überall und jederzeit zur Verfügung steht, macht es zusätzlich leicht, in eine Sucht zu schlittern.
Nicht selten steckt hinter dem Alkoholismus auch eine unbehandelte Depression. Beide, Alkoholismus und Depression gelten als schwere Erkrankungen. Selbst daran schuld zu sein, ist bei beiden eine weit verbreitete Meinung. So verwundert es nicht, dass zu wenige Betroffene professionelle Hilfe in Anspruch nehmen oder diese von ihrem Umfeld auf ihr Problem angesprochen werden. Um der Stigmatisierung entgegenzuwirken und die Bereitschaft zu fördern, sich behandeln zu lassen, braucht es Aufklärung. Denn der Alkoholismus ist nicht nur eine schwere Erkrankung und reduziert die Lebenserwartung um 15 bis 20 Jahre sondern zieht auch sein Umfeld in Mitleidenschaft.
Das neue Heft der innenwelt berichtet über den weit verbreiteten Alkoholmissbrauch, wie es dazu kommen kann, über Folgeschäden und darüber, welche Wege es aus der Krankheit gibt. Immerhin gelten rund 360.000 Menschen in diesem Land als alkoholkrank, aber nur 8 Prozent sind in Behandlung! Viele Betroffene bagatellisieren ihr problematisches Trinkverhalten oder getrauen sich nicht, darüber zu sprechen. Für sie kann daher das Outing von Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben sehr hilfreich für den ersten Schritt aus der Sucht sein. Dementsprechend bringt die innenwelt u. a. zwei Interviews. Der Ex-Fußballprofi Borowka spricht offen über seine Sucht und darüber, wie er einen Ausweg fand. Seit 2000, nach einer Alkoholtherapie ist er trocken. Seine Geschichte hat er in dem Buch „Volle Pulle. Mein Doppelleben als Fußballer und Alkoholiker“ verarbeitet. „Der Alkohol hat meine Traurigkeit gedämpft“, erzählt Andrea Mach, die jahrelang für die Vereinten Nationen und die WHO tätig war und nach der Pensionierung in ein tiefes Loch stürzte, aus dem sie sich mit Hilfe einer Therapie im Anton Proksch Institut wieder herauskämpfte. Auch sie lässt seither die Finger vom Alkohol und führt ein zufriedenes Leben.
Leider werden in der aktuellen Ausgabe weder die Co-Abhängigkeit, bei der Bezugspersonen einer/s Suchtkranken dessen Sucht durch ihr Handeln zusätzlich fördern oder bestehen lassen, noch Selbsthilfegruppen als Ergänzung zu Entwöhnungstherapien erwähnt. Dabei tragen gerade die Anonymen Alkoholiker, die in ganz Österreich tägliche Treffen anbieten und auch Al Anon-Gruppen, die für Co-Abhängige Angehörige gedacht sind, wesentlich zum Erfolg im Kampf gegen den Alkoholismus bei. Sie sind oftmals erste Anlaufstelle für Betroffene, weil dort „LeidgenossInnen“ anzutreffen sind, denen sie sich anvertrauen können und sie dabei unterstützen, den Verlockungen des Alkohols dauerhaft standzuhalten. Denn das nächste Bier ist nur eine Armlänge entfernt und die Sucht bleibt bekanntlich ein Leben lang bestehen.
MICHAELA WAMBACHER, Redaktion Achterbahn
innenwelt 16
Wenn König Alkohol das Leben beherrscht
Ausgabe April - Juni 2013
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