Sigmund Freud und Victor Frankl sind große Österreicher und als Erforscher des Seelenlebens über den gesamten Globus bekannt. Gerade im Geburtsland der großen Erforscher der Psyche ist dieses Feld durch eine besondere Geschichte auch schwer belastet. Der Erfinder der Psychoanalyse konnte zwar vor den Nationalsozialisten gerade noch nach England fliehen, starb aber bald nach der Flucht. Victor Frankl war über Jahre im Konzentrationslager und gewann unter extremsten Lebensbedingungen wichtige Erkenntnisse über die Psyche des Menschen.
„Trotzdem JA zum Leben sagen“, war der modifizierte Titel des ersten Buches von Dr. Frankl nach diesen schrecklichen Erlebnissen, und dieses Motto ist – wenn auch oft unausgesprochen und unbewusst – die Lebensgrundlage für viele Menschen, die seelische Qualen erlitten und daraus besondere Lebenserfahrungen gewonnen haben. Zwanzig Vertreterinnen und Vertreter der Selbsthilfe bzw. Betroffenenbewegung, die in verschiedenen Gruppen von Vorarlberg bis ins Burgenland tätig sind, sollen sich - begleitet von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) - stärker vernetzen, Erfahrungen untereinander austauschen und als „Betroffene für Betroffene“ eintreten. Als eine zentrale Aufgabe hat sich der Verein FREIRÄUME das Thema Entstigmatisierung gewählt, da die Stigmatisierung von „Geisteskrankheiten“ durch die erwähnte historische Belastung in unserem Land eine ganz besondere war. Nur langsam lässt sich dieser „Schleier der Vergangenheit“ hochziehen und bedarf einer sorgsamen Aufklärung. Es war kein besonderes „warming-up“ erforderlich, um die Teilnehmenden ins Gespräch und zu Gesprächen zu bringen, diese kamen bereits am Vorabend des 31. Oktober durch das besondere Interesse an den bunten Lebensgeschichten zustande. Monika Nowotny und Daniela Rojatz fanden am Beginn der Tagung eine bereits aufgewärmte und aufnahmebereite Gruppe im sonnendurchfluteten Tagungsraum des Hauses St. Virgil vor. Hintergrund und prioritäres Ziel dieser ersten Vernetzungstagung sind die sowohl international als auch national im Raum stehende Forderung bzw. Empfehlung, Betroffene in Planungs- und Entscheidungsprozesse einzubinden, und damit die Unerlässlichkeit von Interessenvertretungen und von Austausch unter diesen. Dieses Ziel zu forcieren ist der Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen (BMGF) an die GÖG. Gremien und Projekte des BMGF, die bereits Interessenvertretungen einbinden, sind z. B. der Beirat für Psychische Gesundheit des BMGF (eingebunden ist der Landesverband „Hilfe zur Selbsthilfe für seelische Gesundheit“, HSSG), das Projekt „Analyse der Unterbringungen nach UbG in Österreich“ (Verein Omnibus, Strada OÖ, Verein Achterbahn, Burgenländischer Landesverband für Selbsthilfegruppen (BLSHG), Peer Center Salzburg, HSSG und Verein FREIRÄUME) und der „Depressionsbericht Österreich“ (HSSG).
Die sehr umfangreiche Tagesordnung konnte – wie nicht anders zu erwarten – bei diesem ersten Treffen nicht vollständig abgearbeitet werden. Die Vorstellung der einzelnen Gruppen ergab für die Teilnehmenden einen aufschlussreichen Überblick über einen repräsentativen Teil des Feldes „Selbsthilfe im Bereich seelische Gesundheit“ in Österreich. Das Interesse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Tätigkeit und Struktur der Gruppen aus den anderen Bundesländern war offensichtlich und führte zu zahlreichen Anfragen. Da so die Tagesordnung nicht vollständig abgearbeitet werden konnte, bleibt die Spannung für das zweite Vernetzungstreffen, das hoffentlich im April stattfinden kann, beträchtlich. Hoffentlich deshalb, weil die Bildung einer neuen Regierung ansteht und das erfahrungsgemäß zu Veränderung der Prioritäten führen kann, da unterschiedliche weltanschauliche Ausrichtungen der Verantwortlichen oft auch andere Schwerpunkte im Einsatz der Mittel bedeuten.
Verfasser: Johann Wutzlhofer
johann.wutzlhofer@lehrer-bgld.at
SHG Psychische Erkrankungen Forchtenstein
Landesverband der burgenländischen Selbsthilfegruppen
--> Gesundheit Österreich GmbH (GÖG)
Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) wurde 2006 als nationales Forschungs- und Planungsinstitut für das Gesundheitswesen und als entsprechende Kompetenz- und Förderstelle für die Gesundheitsförderung errichtet.
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Foto: Bildungshaus St. Virgil in Salzburg
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