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AKTUELLES

20.07.2020

Arbeitslosigkeit schafft Leidensdruck (Teil 1)

Die Reihe "Arbeitslosigkeit schafft Leidensdruck" thematisiert die Folgen von Arbeitslosigkeit und die Stigmatisierung von arbeitslosen Menschen in der Gesellschaft.


arbeitslosigkeit Arbeit hat einen hohen Stellenwert. Sie dient nicht nur der Sicherung der Lebensgrundlagen, sondern ist allem voran ein Teil der eigenen Identität. Aufgrund der "Corona-Krise" verloren viele Österreicherinnen und Österreicher im ersten Halbjahr 2020 ihren Arbeitsplatz. 2020 erreichte Österreich die höchste Arbeitslosenquote seit dem Ende des zweiten Weltkrieges.

Die Zahl der Arbeitslosen stieg damit auf rund 571.000 Personen an. Im Vergleich dazu waren im Frühjahr 2019 rund 369.000 Menschen auf Arbeitssuche. Vermutlich wird die Arbeitslosenzahl im Sommer 2020 aufgrund von Saisonarbeit sinken, um im kommenden Herbst erneut anzusteigen.*

Offene Stellen stehen oben genannten Zahlen im Mai 2020 rund 57.600 gegenüber.**
Angesichts der Tatsache, dass Österreich dieses Jahr die höchste Arbeitslosigkeit seit Ende des zweiten Weltkrieges verzeichnet, lautete Ende April der Appell der Caritas an die Politik, einen Fahrplan gegen Arbeitslosigkeit und Armut vorzulegen. So wird in einer Presseaussendung neben einem „Anreizsystem für Unternehmen“, „mehr Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik“ und einer Überprüfung des Sozialsystems auf „Armutsfestigkeit“ beispielsweise der Bedarf nach einer „Solidaritätsmilliarde für Menschen in Not“ geäußert. Die Intention dahinter ist, nicht nur Geld in die Wirtschaft zu pumpen, sondern auch jene zu unterstützen, die unter der Krise besonders leiden.***

Jede und jeden von uns hat die Corona-Krise völlig unerwartet getroffen und viele sahen sich mit Existenzängsten konfrontiert. Ob der eigene Job - wenn auch häufig "nur" im Modus der Kurzarbeit - behalten werden konnte, lag bei den ArbeitgeberInnen. Unverschuldet verloren also ArbeitnehmerInnen ihre Arbeitsplätze, ohne durch politische Maßnahmen aufgefangen zu werden.
Zudem bedeutet das „Abrutschen“ in die Arbeitslosigkeit nicht nur den Verlust eines gewissen (Lebens-)Standards, sondern auch die Konfrontation mit Stigmatisierung. Personen, die keine Arbeit haben, gelten im gesellschaftlichen Konsens nicht selten automatisch auch als „faul“ und „arbeitsunwillig“. Die meisten schämen sich für längere „Lücken“ im Lebenslauf, fürchten sich vor Verurteilung und davor, nicht mehr im Arbeitsleben Fuß zu fassen.
In einer leistungsorientierten Gesellschaft wie der unsrigen ist ein Job häufig viel mehr als nur Mittel zum Überleben. Unser Beruf ist ein Teil unserer Identität, etwas, womit wir zur Gesellschaft beitragen. Wer arbeitslos ist, sieht sich leider nicht selten vor der Sorge, kein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein, sich für die eigene Arbeitslosigkeit schämen zu müssen oder von außen beschämt zu werden. Dabei ist es gerade angesichts aktueller Entwicklungen nicht realistisch, dass alle Arbeitslosen eine Arbeitsstelle finden. Es stehen einfach viel zu viele Arbeitssuchende einem viel zu geringen Angebot an freien Stellen gegenüber.

Zudem ist bekanntlich auch nicht jede Arbeit für jeden Menschen geeignet.

Dennoch wird der Wunsch nach Unterstützung für Personen in der Arbeitslosigkeit im öffentlichen Diskurs nicht selten mit Unverständnis quittiert.
„Sollen sie doch etwas arbeiten für ihr Geld!“, schallt es aus so mancher gesellschaftlichen Ecke. „Wer essen will, muss auch arbeiten“, scheint dabei der Leitsatz zu sein. Leider wird dabei jedoch vergessen, dass die meisten Arbeitsuchenden arbeiten, etwas zur Gesellschaft beitragen wollen!

Dieses Klima des Unverständnisses, auf das Arbeitslose häufig stoßen, verstärkt deren Stigmatisierung nicht nur, es erhöht auch den Leidensdruck, der für die meisten durch ihre prekäre Situation ohnehin bereits besteht

Die Folge davon sind nicht selten psychische Erkrankungen.

>> Mehr dazu im zweiten Teil der Reihe "Arbeitslosigkeit schafft Leidensdruck"

Verfasserin: Ina Plattner


Mit Themen rund um Armut, Stigmatisierung und sinnvoller Stärkung finanziell schwacher ÖsterreicherInnen befasst sich auch die Armutskonferenz >>
Hier geht es zum Podcast der Armutskonferenz >>

* Quelle: https://kurier.at/wirtschaft/coronavirus-arbeitslosenplus-in-oesterreich-groesser-als-in-deutschland/400832012

** Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/552276/umfrage/offene-stellen-in-oesterreich-nach-monaten/

*** Quelle: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200429_OTS0112/corona-wir-brauchen-nicht-nur-impfstoff-gegen-das-virus-sondern-auch-rezepte-gegen-armut-und-arbeitslosigkeit