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AKTUELLES

29.06.2023

Erfahrungsbericht: Queer und psychisch krank

Anymg* ist queer und psychisch krank. Beides hat sie wesentlich geprägt. In ihrem Erfahrungsbericht gibt sie einen persönlichen Einblick in ihre Lebenswelt.


Es sind zwei Faktoren, die mein Leben dauerhaft beeinflussen und die sich thematisch in manchen Situationen überlappen – ich bin lesbisch und leide an einer psychischen Erkrankung. Das eine bedingt das andere selbstverständlich nicht – auch, wenn es Leute gibt, die dies zu glauben scheinen.
Es gibt meines Wissens nach keinen Grund dafür, dass ich mich mit 13 Jahren zum ersten Mal in ein Mädchen verliebt habe - und ich finde auch, es entbehrt jeder Logik zu glauben, etwas Wunderschönes wie die Liebe könnte von einem traumatischen Erlebnis oder Ähnlichem kommen. Dass ich mich in Frauen verlieben kann und Männer für mich nur auf platonischer Ebene interessant sind, habe ich mir weder ausgesucht noch „gewünscht“.
Es war auf KEINEN FALL eine Entscheidung, es ist einfach so.

Viele Gruppierungen oder Einzelpersonen glauben, sie seien im Recht, wenn sie mir als queere Person unterstellen, ich sei auf einem „Irrweg“, es wäre doch „nicht natürlich“. Solche Unterstellungen sind sehr verletzend und schlichtweg falsch. Darum ist es umso wichtiger, sich innerlich von solchen Behauptungen abzugrenzen, auch wenn das oft schwierig erscheint. Auch mich hat die Ablehnung meiner sexuellen Orientierung und dadurch auch meiner Identität durch vertraute Personen negativ geprägt und zu meiner psychischen Erkrankung beigetragen. Das Gefühl, nicht akzeptiert zu werden, kann ein sehr tiefgreifendes sein, doch die Wahrheit ist: Es ist keine Änderung nötig, denn wir sind völlig normal und in Ordnung, genauso wie wir sind! Es ist auch keine Schwäche, sich Hilfe zu holen, wenn man sie braucht, es ist ein mutiger Schritt in die richtige Richtung.

Nun leben wir in unsicheren Zeiten.
Diesen Monat wurde ein Anschlag auf die Wiener Pride Parade verhindert. Hasstiraden werden anonym auf Social Media Plattformen verbreitet, die Verdrossenheit in die Politik steigt. Es gibt Strömungen, die die Wissenschaft und simple Fakten leugnen, Extremismen werden stärker, alles überschattet von einer Klimakrise, die unsere Existenz bedroht.

Ich fühle mich nicht mehr so sicher wie vor zehn Jahren.
Meine Angst und Depression verstärkt das zunehmend und ich bin nicht die Einzige. Psychische Erkrankungen beginnen sich in der Bevölkerung zu häufen. Wenn man das alles im Hinterkopf behält und nebenbei auch noch aus verschiedenen Informationsquellen unterschiedliches hört, kann das vermehrt zu psychischen Krisen führen.

anymg.klein Doch es ist wichtig, sich auf sein eigenes Leben zu besinnen – was macht mich glücklich? Was ist der Sinn MEINES Lebens? Was kann ich tun, um mich von den schlechten Nachrichten abzulenken? Was kann ich tun, um mich von für mich schädlichen Personen abzugrenzen? In Graz gibt es viele psychologische Angebote und ich bin glücklich darüber, in einem Land zu leben, in dem mich das soziale Netz auffängt, wenn ich es brauche.
In Graz gibt es nun auch einen neuen Treffpunkt für LGBTQIA+ Personen, was mich besonders glücklich macht. Ich möchte am 1. Juli den Grazer Christopher Street Day im Park mit Freunden genießen und nicht über das Negative in der Welt nachdenken müssen. Es wird alles gut gehen, da bin ich mir sicher.

Ich bin stolz darauf, wer ich bin, auch wenn nicht jeder mich akzeptieren wird.
Ich bin froh, ich zu sein, mit allem, was mich ausmacht. Lesbisch und psychisch krank zu sein, ist ein Teil von mir, dieser bestimmt mich jedoch nicht vollkommen.
Ich freue mich, dass es eine Community in Graz gibt und dass ich Menschen kennenlernen darf, die in ähnlichen Situationen sind und dass wir uns gegenseitig unterstützen.
Es macht mich stolz, ein Teil dieser Gemeinschaft sein zu dürfen.

Es gibt Organisationen wie den Verein Achterbahn, in denen man sein darf, wie man ist. Die einem ein Gefühl von Wertschätzung und Vertrauen geben: Sicherere Orte in dieser „verrückten“ Welt.

Geschrieben von: anymg* – besucht das Kreativcafé des Vereins Achterbahn

Lieblingsmotto: Leben und leben lassen!

*Name ist der Achterbahn bekannt